21. Oktober 2020
Glyphosat-Gutachten & Urheberrecht

Zensurheberrecht: BfR versucht erfolglos, Glyphosat-Gutachten geheimzuhalten.
Als die EU-Kommission im Sommer 2016 das Pflanzenschutzmittel Glyphosat zulassen wollte, entfachte eine breite gesellschaftliche Diskussion um das Pestizid, das in Verdacht steht, Krebs zu verursachen. Der Bundesregierung wurde vorgeworfen, einseitig die Interessen der Agrarkonzerne zu vertreten.
Entsprechend groß war das öffentliche Interesse an der Einschätzung der Bundesbehörden zu den Risiken des Mittels. Unser Mandant Arne Semsrott von FragDenStaat erhielt Unterlagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung, aber mit dem Hinweis, dass er diese nicht öffentlich machen dürfe.
Das machte er trotzdem, doch das gab Ärger. Erst einmal…
Nachdem unser Mandant die Unterlagen auf der Website von FragDenStaat veröffentlicht hatte, erwirkte das Bundesinstitut für Risikobewertung beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung (Az. 14 O 86/19). Der Grund: Das Gutachten der Experten vom Bundesinstitut sei ein urheberrechtlich geschütztes Werk und unser Mandant habe daher kein Recht, es zu veröffentlichen. Das Urheberrecht wird so missbraucht, um der Öffentlichkeit amtliche Unterlagen vorzuenthalten, die nach dem IFG jedermann zur Verfügung stehen sollen.
Vor dem Landgericht Köln war das Bundesinstitut zunächst erfolgreich. Die (mit Steuergeldern) gut bezahlten Großkanzlei-Anwälte des Bundesinstituts schafften es jedoch trotz mehrfacher Versuche nicht, die Verfügung ordnungsgemäß zuzustellen. Auf unseren Widerspruch hob das Landgericht Köln daher die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 4. Juli 2019 (Az. 14 O 86/19) wieder auf.
Doch die nächste Klage kam alsbald…
Das Bundesinstitut ließ sich davon offenbar nicht entmutigen und erhob erneut Klage gegen unseren Mandanten. In dem Hauptsacheverfahren wird sich das Landgericht nunmehr auch zu der inhaltlichen Frage äußern müssen, ob das Urheberrecht gegen staatliche Transparenzpflichten in Stellung gebracht werden kann. In die Karten spielt uns dabei ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-469/17) zu den Afghanistan-Papieren. Danach muss genau geprüft werden, ob es sich bei amtlichen Unterlagen überhaupt um geistige Schöpfungen handelt, die dem Urheberrecht unterfallen. Zudem muss die Presse- und Meinungsfreiheit berücksichtigt werden, die auch die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Werken rechtfertigen können. Das Urteil des Kölner Landgerichts (Az. 14 O 163/19) soll am 12. November 2020 verkündet werden.
Parallel dazu verklagen wir das Bundesinstitut für Risikobewertung vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az. VG 2 K 175.19) auf Herausgabe eines vergleichbaren Abmahnschreibens an den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Es ist skandalös, mit welchem Aufwand die Behörde versucht, der Öffentlichkeit Informationen vorzuenthalten.
Mehr Informationen auf der Website unseres Kooperationspartners FragDenStaat
Presse
Netzpolitik.org (4.7.2019): Zensurheberrecht: Glyphosat-Gutachten darf wieder veröffentlicht werden
heise online (5.7.2019): Urheberrecht: FragDenStaat darf Glyphosat-Gutachten wieder veröffentlichen
Legal Tribune Online (5.7.2019): “Frag den Staat” veröffentlicht Glyphosat-Gutachten wieder
taz (11.12.2019): Urheber mit Geheimnis
