30. Dezember 2020
AfD-Politiker will Integrationspreisträgerin den Mund verbieten
Bjeen Alhassan wurde für ihr Engagement für Frauen aus Syrien mit dem Nationalen Integrationspreis der Bundesregierung ausgezeichnet. In Interviews mit dem NDR und der taz schilderte sie negative Erfahrungen, die sie als Studentin mit ihrem Professor, dem AfD-Politiker Reiner Osbild gemacht hat. Dieser geht deswegen jetzt rechtlich gegen die junge Kurdin vor.
Bjeen Alhassan gilt als Musterbeispiel für gelungene Integration. Sie kommt aus Rojava in Nordostsyrien und lebt seit 2014 in Deutschland. 2016 begann sie an der Hochschule Leer/Emden ein Studium, das sie 2019 mit einem Master in Business Administration abschloss. Inzwischen arbeitet sie als Referentin für einen Hamburger Verein, der unter anderem Geflüchtete bei der beruflichen Integration unterstützt. Ehrenamtlich betreibt sie das Projekt „Lernen mit Bijin“, eine Facebook-Gruppe, in der sie Frauen aus Syrien Tipps für den Alltag in Deutschland gibt. Hierfür wurde sie 2020 von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Nationalen Integrationspreis der Bundesregierung ausgezeichnet.
Kurdische Studentin wehrt sich gegen AfD-Professor
Dabei verlief der Werdegang von Bjeen Alhassan alles andere als konfliktfrei. Sie erfuhr auch an der Hochschule immer wieder Diskriminierung. Nach der Verleihung des Nationalen Integrationspreises schilderte die ehemalige Studentin in der NDR-Talkshow „deep und deutlich“ und in der taz ihre Erfahrungen mit dem Betreuer ihrer Masterarbeit. Das Brisante dabei: Der Betreuer war Professor Reiner Osbild, Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Ostfriesland.
Osbild ist in der Vergangenheit wiederholt durch rassistische und flüchtlingsfeindliche Äußerungen in Erscheinung getreten. In einem Vortrag von 2017 stellte er die Aufnahme von Flüchtlingen als Teil eines „satanischen Generalangriffs“ auf das Christentum dar. Zuletzt las der Professor öffentlich aus einem Buch des inzwischen verstorbenen ultra-rechten Verschwörungstheoretikers Udo Ulfkotte. Aktuell bewirbt sich Osbild auf einen AfD-Listenplatz für die Bundestagswahl.
AfD schüchtert politische Gegner*innen ein
Osbild geht rechtlich gegen Bjeen Alhassan vor. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung versucht der AfD-Politiker, seiner ehemaligen Studentin den Mund zu verbieten. Diese will sich jedoch nicht einschüchtern lassen. „Nur wenn Migrantinnen und Migranten öffentlich über ihre Diskriminierungserfahrungen sprechen, kann sich etwas ändern“, sagt Bjeen Alhassan. „Ich will auch andere Studierende, die ähnliche Erfahrungen machen, ermutigen, sich zu wehren. Diskriminierung sollte es nirgendwo geben, aber vor allem nicht in einer Bildungseinrichtung.“
Für Rechtsanwalt David Werdermann, der Bjeen Alhassan vor Gericht vertritt, ist der Fall ein krasses Beispiel für die Strategie von AfD und anderen Rechten, politische Gegner*innen mit Hilfe des Presse- und Äußerungsrechts einzuschüchtern. „Allein in den letzten Wochen sind bei uns mehrere Abmahnungen von AfD-Politikern eingegangen, die größtenteils völlig haltlos waren, aber bei den Betroffenen hohe Kosten verursachen sollen“, erklärt der Anwalt der Berliner Kanzlei Thomas Rechtsanwälte. Besonders hart treffen solche Abmahnungen kleine, unabhängige Medien und Verlage, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen oder – wie im Fall von Bjeen Alhassan – Personen, die einfach nur öffentlich AfD-Politiker kritisieren.
Solidarität mit Bjeen
Wenn Sie Bjeen Alhassan unterstützen wollen, können Sie einen Teil der Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen.
Bankverbindung:
Kontoinhaber: Thomas Rechtsanwälte
Bank: Deutsche Kreditbank AG
IBAN: DE71 1203 0000 1008 3448 95
BIC: BYLADEM 1001
Verwendungszweck: Solidarität mit Bjeen
Sollte Geld übrigbleiben, wird dieses an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen gespendet, die unter anderem den Aufbau der AG gegen Rechts an der Hochschule Emden/Leer unterstützt hat.
Presse
taz (30.12.2020): Rechtsstreit wegen Interviews: Unterlassener Respekt
Kurdistan24 (31.12.2020): German-Kurdish Integration Award winner being sued by right-wing leader