17. Februar 2022
Verfassungsbeschwerde: Karlsruhe entscheidet über Zugang zu Twitter-Direktnachrichten
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Klage auf Zugang zu Twitter-Direktnachrichten des Bundesinnenministeriums abgelehnt. Mit FragDenStaat ziehen wir vor das Bundesverfassungsgericht.
Nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat jede Person gegen Bundesbehörden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das soll der Transparenz und Kontrolle der Verwaltung dienen und ermöglicht letztlich demokratische Beteiligung auf Augenhöhe. Wenn das Bundesinnenministerium zur Öffentlichkeitsarbeit einen Twitter-Kanal betreibt und über die Direktnachrichten (eine Art Messenger) Anfragen von Bürger:innen sowie Journalist:innen beantwortet und sich mit anderen Behörden abspricht, dann handelt es sich bei diesen Nachrichten um amtliche Informationen, die für die Kontrolle der Verwaltung von besonderer Relevanz sind.
Anspruch nur auf “aktenrelevante” Informationen?
Anders sah es im Oktober 2021 das Bundesverwaltungsgericht und lehnte die Klage unseres Mandanten Arne Semsrott von FragDenStaat ab (Az. 10 C 3/20). Die Argumentation der Richter:innen aus Leipzig irritiert: Die Nachrichten seien nicht beim BMI selbst, sondern auf dem Server von Twitter gespeichert und der amtliche Zweck habe sich „mit Abwicklung der Kommunikation“ erledigt. Diese Argumentation würde in der Praxis dazu führen, dass Informationen, die im Auftrag von Behörden bei privaten Dritten (Clouds, Messenger etc.) gespeichert werden, kaum noch im Nachhinein nachvollzogen werden können. Das Bundesverwaltungsgericht schränkt den Begriff der amtlichen Informationen darüber hinaus auch inhaltlich ein. Es verweist auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung und leitet daraus – gegen Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes – ein einschränkendes Kriterium der “Aktenrelevanz” ab. Diese Auslegung birgt ein erhebliches Missbrauchspotenzial, weil Mitarbeitende der Behörden bei brisanten Informationen auf „informelle“ Kanäle ausweichen können.
Verletzung des Grundrechts auf Informationsfreiheit
Wir haben daher im Namen unseres Mandanten Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil erhoben (Az. 1 BvR 179/22). Die Klageabweisung verstößt gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Informationsfreiheitsgesetz muss im Lichte dieses Grundrechts und im Lichte des Demokratieprinzips transparenzfreundlich ausgelegt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht nicht getan.
Umso wichtiger ist es, dass das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort spricht. In einem von uns erstrittenen Beschluss von 2017 hat es sich bereits erstmals zum Informationsfreiheitsgesetz geäußert und entschieden, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Grundrecht ist. Hieran können die Karlsruher Richter*innen anknüpfen.
Verletzung von Justizgrundrechten
Darüber hinaus verstößt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen Justizgrundrechte. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Entscheidung auf angebliche Feststellungen des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. 2 K 163.18) zur Aktenrelevanz der Direktnachrichten. Das Verwaltungsgericht hatte jedoch zum konkreten Inhalt der Nachrichten gar keine Feststellungen getroffen, da es nach seiner Auffassung darauf nicht ankam. Es hat lediglich die Behauptungen des Bundesinnenministeriums wiedergegeben, ohne diese selbst zu überprüfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Behauptungen als „festgestellte Tatsachen“ behandelt und auf dieser Grundlage die Klage abgewiesen, statt den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Das verletzt unseren Mandanten in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz.