14. April 2022
Anleihenkäufe und Bayer-Monsanto-Deal: Bundesbank verweigert Auskunft
Ist die Deutsche Bundesbank vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen? Es droht eine neue Ausnahme für die Bundesbank durch die Hintertür.
Die Wertpapierkäufe des Eurosystems sind vielfach in die Kritik geraten und nicht zuletzt teilweise vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden. Nun versucht die Deutsche Bundesbank das Informationsfreiheitsgesetz ausgerechnet für diesen Bereich für unanwendbar erklären zu lassen und der Öffentlichkeit somit die Überprüfung ihrer Finanzpolitik unmöglich zu machen. Unsere Mandantin Gaby Weber geht dagegen gerichtlich vor und mit der von uns eingelegten Berufung nun in die nächste Runde des Rechtsstreits.
Anleihenkäufe durch die Deutsche Bundesbank: Ein Skandal jagt den nächsten
Zur Rettung des Eurosystems haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken im Zuge der Finanzkrise in 2007 verschiedene Wertpapierkaufprogramme beschlossen. Die Zweifel an der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit dieser Vorhaben und deren Umsetzung sind vielfältig.
Das Programm zum Ankauf von europäischen Staatsanleihen (public sector purchase programme, PSPP) wurde im Mai 2006 vom Bundesverfassungsgericht als Kompetenzüberschreitung der EZB (sog. Ultra-vires-Akt) gewertet und damit als verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht begründete dies vor allem damit, dass die EZB die währungspolitischen Ziele nicht mit anderen Auswirkungen etwa auf die eigene Haushaltspolitik der EU-Mitgliedstaaten aber auch auf die soziale und wirtschaftliche Situation der einzelnen Bürger*innen, zum Beispiel als Mieter*innen und Sparer*innen, abgewogen habe (Rn. 139, 165ff.173). Wenn die Bundesbank sich dazu nicht in einer bestimmten Frist erkläre, dürfe sie an diesem Staatsanleihen-Programm nicht mehr teilnehmen (Rn. 235).
Neben den Ankäufen von Staatsanleihen, stehen aber besonders die Ankäufe von Unternehmensanleihen (Corporate Sector Purchase Programm, CSPP) in der Kritik. Denn von diesen Ankäufen profitieren vielfach Unternehmen, deren soziale und ökologische Bilanz mehr als zu wünschen übrig lässt, etwa Coca-Cola, Nestlé und Shell (siehe Übersicht der Anleihen)
Anleihen für Pestizide und Gentechnik?
Besondere Aufmerksamkeit bekam der Ankauf von Anleihen der deutschen Bayer AG. Im Mittelpunkt steht die Frage: Hat die Deutsche Bundesbank durch Ihre Anleihenkäufe von der deutschen Bayer AG am Ende die Übernahme des Saatgutkonzerns Monsanto ermöglicht? Dem Hersteller des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat wird seit Langem von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen vorgeworfen, durch Gentechnik und Pestizide das Ökosystem erheblich zu gefährden und durch weltweite Saatgutpatente die lokale Landwirtschaft insbesondere im Globalen Süden komplett kontrollieren zu wollen.
Zumindest entspricht eine solche Unternehmensführung wohl nicht den Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards, die eigentlich die Entscheidungen der Deutschen Bundesbank auf jeder Ebene leiten sollten.
Dazu kommen Schadensersatzansprüche von Krebspatient*innen gegen den Bayer Konzern als Rechtsnachfolger von Monsanto. Monsanto soll um die krebserregende Wirkung seiner Unkrautvernichter gewusst aber diese verschwiegen haben. Wegen der Schadensersatzansprüche klagen auch bereits in Deutschland Investor*innen auf Entschädigung in Milliardenhöhe gegen das Unternehmen und werfen Bayer insbesondere vor, „den Kapitalmarkt über die wirtschaftlichen Risiken getäuscht zu haben, welche die in den USA anhängigen Verbraucherklagen … infolge der Monsanto-Übernahme mit sich brachten.“
Unsere Mandantin verlangt daher auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) insbesondere Auskunft darüber, ob und nach welchen Kriterien eine Risikobewertung der angekauften Wertpapiere stattfand. Auf der Website der Bundesbank zu CSPP, auf die unsere Mandantin bisher meist verweisen wurde, findet sich lediglich der Satz „…, there is no positive or negative discrimination on the basis of environmental or social criteria.“
Dass dieser Anleihenkauf durch die Bundesbank stattgefunden hat, steht fest – die EZB hat dies bestätigt, aber unsere Mandantin an die Bundesbank verwiesen, was die Details der Käufe angeht, also: in welcher Höhe wurden diese Anleihen gekauft? Zu welchem Zinssatz? Und: wurde das Risiko geprüft? Dazu verweigert die deutsche Bundesbank bisher jegliche Auskunft.
Schwammige Begründung für eine bisher unbekannte Ausnahme vom IFG
Anlass zur kritischen Untersuchung solcher Anleihenkäufe durch Presse und Öffentlichkeit gibt es also genug. Die Bundesbank versucht jedoch sich dem Zugang zu Informationen über die Anleihenkäufe der Bayer AG sowie zu den Risikobewertungen mit schwammiger Begründung zu entziehen, dem das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit seinem Urteil vom 23. Februar 2022 weitestgehend gefolgt ist.
Der voraussetzungslose Zugang zu staatlichen Informationen nach § 1 IFG sowie presserechtliche Auskunftsansprüche nach Art. 5 GG sollen nicht bestehen, soweit die Deutsche Bundesbank als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) tätig wird.
Zwar ist es richtig, dass die Bundesbank gemäß der Europäischen Verträge (Art. 282 Absatz 1 AEUV), der Satzung der Europäischen Zentralbank und § 3 BankG Bestandteil der ESZB ist, insoweit zum großen Teil vor allem EU-Recht unterliegt und mit der EZB sowie anderen nationalen Zentralbanken eng zusammenarbeitet. Warum das aber automatisch Auskunftsansprüche nach nationalem Recht ausschließen soll, wird nicht überzeugend begründet.
Denn grundsätzlich unterliegt die Bundesbank als oberste Bundesbehörde nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers dem IFG. Das wird insbesondere anhand der Gesetzesbegründung deutlich, die ausdrücklich nur die geld- und währungspolitischen Beratungen der Deutschen Bundesbank vor Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion von dem Informationszugangsanspruch ausnimmt (BT-Drs. 15/4493, S. 8). Das hat mit dem aktuellen Fall nichts zu tun. Auch die weitgehende Weisungsunabhängigkeit der Bank kann nicht pauschal dafür ins Feld geführt werden, dass das IFG nicht anwendbar wäre. Ansonsten werden neue Bereichsausnahmen geschaffen, die das Gesetz so nicht vorsieht.
Des Weiteren soll ein für die Deutsche Bundesbank bindender Beschluss der EZB vom 4. März 2004 dem IFG-Anspruch entgegenstehen. Ziel dieses Beschlusses war es jedoch gerade die Transparenz von Entscheidungen der EZB zu erhöhen, einen umfassenden Zugang zu Informationen zu ermöglichen und die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken zu wahren. Eine Ausnahme sieht Artikel 5 dieses Beschlusses vor, der eine vorherige Konsultation der EZB anordnet, soweit es um Dokumente geht, die zwar im Besitz der nationalen Zentralbank sind, aber die von der EZB erstellt worden sind. Warum die Anleihenkäufe der Deutschen Bundesbank darunter fallen, ob ein einschlägiger Verweigerungsgrund auf Seiten der EZB vorliegen würde und ob dadurch auch nationales Recht und verfassungsunmittelbare Auskunftsansprüche ausgehebelt werden können, wird nicht weiter begründet.
Zu der Ablehnung des Antrags nach Offenlegung der Risikobewertung fehlt sogar jegliche Begründung. Das Urteil bietet aufgrund dieser zahlreichen „Kurzschlüsse“ einige Angriffspunkte.
Grundsätzliche Bedeutung: Der Rechtsstreit geht in die nächste Runde
Die vielen Skandale, die anscheinend fehlende Bewertung von Anleihen nach ökologischen und sozialen Aspekten und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die bereits das Staatsanleihenprogramm als „objektiv willkürlich“ bezeichnete, zeigen: Die Tätigkeiten der Deutschen Bundesbank in diesem Bereich bedürfen der kritischen Begleitung durch die Öffentlichkeit und der Presse. Deswegen fordern Parlamentarier*innen und NGOs mehr Transparenz, auch von der EZB. Eine Bereichsausnahme, wie sie die Deutsche Bank fordert, würde dies erheblich erschweren. Daher lassen wir das Urteil so nicht stehen und haben Berufung eingelegt.
Immerhin sind auch dem Verwaltungsgericht die weitreichenden Auswirkungen des Falles bewusst: Die Berufung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen ausdrücklich zugelassen.