6. November 2020
Erfolg vor OVG: Auch für Beirat-Protokolle des BMF gilt das IFG
Laut OVG Berlin-Brandenburg muss das BMF die Protokolle seines wissenschaftlichen Beirats rausgeben.
Ein Erfolg für die Informationsfreiheit: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg hat entschieden, dass das Bundesministerium für Finanzen (BMF) die Protokolle seines wissenschaftlichen Beirats herausgeben muss (Az. OVG 12 B 11.19). Unser Mandant Moritz Neujeffski, der sich wissenschaftlich mit Politikberatung beschäftigt, hatte Einsicht in die Protokolle beantragt und vor dem Berliner Verwaltungsgericht Recht bekommen. Das OVG wies jetzt die Berufung des BMF überwiegend zurück.
Keine Umgehung des IFG durch Beirats-“Satzung”
Zentrale Streitpunkt in der etwa dreistündigen Verhandlung war, ob sich das BMF auf die “Satzung” seines Beirats berufen kann. Diese wurde extra geändert und eine Vertraulichkeit der Protokolle festgeschrieben, um Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu umgehen. Das OVG folgte unserer Auffassung, dass die “Satzung” weder eine Rechtsvorschrift noch ein Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG begründet. Denn in der Sache handelt es sich um eine innerbehördliche Vorschrift ohne Außenwirkung.
Auch den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. Nach dieser Vorschrift besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn dadurch die Vertraulichkeit von Beratungen einer Behörde gefährdet wird. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht bereits Zweifel daran geäußert, ob es sich bei dem Beirat um eine Behörde handelt. Darüber hinaus gilt für die Vertraulichkeit dasselbe wie für das Amtsgeheimnis. Könnte die Behörde selbst die Vertraulichkeit festlegen, wäre Tür und Tor für eine Umgehung des IFG geöffnet. Zudem hat das BMF in keiner Weise dargelegt, dass die Veröffentlichung von teilweise mehrere Jahre alten Protokollen auch zukünftige Beratungen beeinträchtigen können. Sollten einzelne Beiratsmitglieder tatsächlich derart die Öffentlichkeit scheuen, dass sie sich in Zukunft nicht mehr frei äußern werden, sind sie offenbar für die Ausübung eines öffentlichen Amtes mit der damit einhergehenden demokratischen Kontrolle nicht geeignet.
Vorgeschobene Geheimhaltungsgründe
Das BMF hatte auch keinen Erfolg mit seinem Einwand, dass die Herausgabe der Protokolle die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik beeinträchtigen könnten (§ 3 Nr. 3 a) IFG). Das Ministerium hatte argumentiert, dass die Äußerungen von einzelnen Beiratsmitgliedern der Bundesregierung zugerechnet würden und die Veröffentlichung deswegen zu diplomatischen Verstimmungen führen könnte. Indirekt warf es damit unseren europäischen Partnern vor, nicht zwischen einem beratenden Gremium und der Bundesregierung unterscheiden zu können. Absurd, wenn man bedenkt, dass auch im Ausland Politikberatung völlig üblich ist. Allein auf EU-Ebene gibt es über 700 beratende Expertengruppen.
Die angeblich in den Beiratsprotokollen enthaltenden vertraulichen Informationen zu Verhandlungen zur EU-Finanzpolitik lösten sich während der Verhandlung in Luft auf. Auf Nachfrage des Gerichts gab der Anwalt des BMF zu Protokoll, dass die Unterlagen keine Geheimnisse enthalten. Ein gutes Beispiel dafür, dass die von Behörden bemühten Geheimhaltungsgründe oft nur vorgeschoben sind und Klagen Erfolg haben. Die pauschale Behauptung des BMF, die in den Protokollen enthaltenen Äußerungen von BaFin-Angestellten könnten die Finanzaufsicht gefährden, sah das OVG offenbar als unsubstantiiert an.
Datenschutz und Urheberrecht
Auch hinsichtlich des Ausschlussgrundes des § 5 IFG hatte das BMF keinen Erfolg. Danach kann die Herausgabe von personenbezogenen Daten verweigert werden. Wir hatten jedoch schon vor dem Verwaltungsgericht auf die Namen der Beiratsmitglieder verzichtet. Die Möglichkeit einer Deanonymisierung sah das Oberverwaltungsgericht nur bei den Äußerungen der Beirats-Vorsitzenden. Insofern erging ein Bescheidungsurteil. Das heißt, dass die verschiedenen Beirats-Vorsitzenden angehört werden müssen und dann erneut über den IFG-Antrag entschieden wird. Dasselbe gilt für die Teilnehmer*innenlisten.
Erfolg hatte das BMF nur hinsichtlich der Anlagen zum Protokoll. Darin sind Vortragsmaterialien und Gutachtenentwürfe von Beiratsmitgliedern oder Gästen enthalten. Das OVG sieht in der Herausgabe offenbar eine Urheberrechtsverletzung. Überzeugend ist das nicht. Fraglich ist bereits, ob es sich bei den Anlagen überhaupt um Werke im Sinne des Urheberrechts handelt. Denn dafür ist erforderlich, dass die Urheber*innen ihren schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck bringen. Zudem dürften die jeweiligen Urheber*innen dem BMF Nutzungsrechte eingeräumt haben, die das BMF wiederum nicht derart ausüben darf, dass die IFG-Ansprüche unterlaufen werden. Das Verhältnis von Informationsfreiheitsrecht und Urheberrecht ist auch Gegenstand des von uns geführten Verfahrens zum Glyphosat-Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung.
Revision zugelassen
Alles in allem ist das Urteil ein Erfolg. Der pauschalen Berufung auf eine innerbehördliche Satzung und die angebliche Vertraulichkeit von Beratungen hat das OVG eine Absage erteilt. Die Geheimhaltungsgründe waren vorgeschoben oder nicht hinreichend dargelegt. Nur in Randbereichen konnte sich das BMF unter Berufung auf den Datenschutz und das Urheberrecht durchsetzen.
Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das OVG hat die Revision zugelassen, sodass die Rechtsfragen möglicherweise abschließend vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden.
Mehr Informationen auf der Website unseres Kooperationspartners FragDenStaat.